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Konzertbericht, Gedanken, soziale Phobie, Angststörung, Geburtstag


4. Juni – mein Geburtstag. Wieder ein Stück weiter im Grab.

Schon vor ca. einem Jahr habe ich mir das Ticket für’s Udo Lindenberg Konzert besorgt, quasi mein Geschenk an mich: Konzert an meinem Geburtstag.

Jetzt, wo es soweit ist, bin ich mal wieder super aufgeregt. Seit Tagen habe ich Angst. Das Übliche. Bahnentgleisung. Explosion. Menschenmengen. Alles dabei.

Auf dem Hinweg steige ich Trottel auch noch in die falsche Bahn. Es fahren fast alle Bahnen zur Messe. Außer zwei. Und in eine von diesen beiden steige ich. Jup. Kleiner Ausflug nach Frankfurt-Griesheim. Aussteigen. Gleiswechsel. wieder zurück fahren zum Hauptbahnhof. Dort umsteigen in die Bahn zur Messe. Diesmal in die richtige.

Beim Einlass werde ich korrekt gegendert und von einem Security-Mann kontrolliert. Yay. So langsam wird’s wohl besser mit dem Passing. Gut, eigentlich ist’s mir ja egal, da ich mich als nicht-binär und agender sehe, aber irgendwie ist’s trotzdem nett zu merken, dass Testo etwas bewirkt.

Als ich drin bin, hole ich mir das Tour-Shirt und dann geht’s auch schon los. Udo Lindenberg rockt das Haus. Ich bin immer wieder beeindruckt, wie er abgeht. Ca. 2 1/2 Stunden spielt er und hüpft wie ein wilder auf der Bühne rum.
Mir tun nach 45 Minuten Füße und Rücken weh und meine Konzentration verabschiedet sich auch… Hier und da überkommt mich ein Schwall an Panik, Dissoziation und Kreislauf,… Er ist Ü70, ich Ü30…
Da ich mich in der Festhalle immer etwas unwohl fühle, bleibe ich in der Nahe eines Ausgangs, um im Notfall schnell raus huschen zu können.

Ermutigt von meiner Mutter („Du hast doch Geburtstag, gönn’s dir doch“), hole ich mir noch ein zweites T-Shirt bevor es zurück zur Bahn geht. Leisten kann ich’s mir nicht, habe schon wieder eine Rechnung daheim, die nicht gebucht werden konnte, aber nun ja… Leben am Limit und so. Mit Geld umgehen konnte ich noch nie.

Am Bahnhof hole ich mir aus Verzweiflung ein Getränk aus dem Automaten. Den ersten Automaten bekomme ich nicht bedient, also suche ich mir einen anderen, an dem keine Menschen in der Nähe sind. Hier klappt’s. Natürlich nicht ohne Schweißausbrüche.

Bis die Bahn kommt, sitze ich dann awkward auf einer Bank, halte mich an meiner Dose fest und wünsche mir, unsichtbar zu sein. Ich texte ein wenig mit Freunden und versuche mich abzulenken.

In der Bahn packe ich mein Buch aus und lese. Ich versuche die lauten Menschen um mich herum so gut es geht zu ignorieren. Ich hasse es, abends Bahn zu fahren. Viel zu viele sind da mit Alkohol unterwegs. Menschen mit Bierdosen. Eine Frau mit Sekt, den sie sich immer wieder in einen Pappbecher füllt und trinkt. Grölen. Lachen. Laute Unterhaltungen. Trigger-Menschen überall.
Zum Glück wird’s ruhiger, als wir aus dem groben Umkreis von FFM und OF raus sind. Die Bahn leert sich immer mehr. Ich muss bis zur Endstation, und bis dahin ist dann meistens fast nichts mehr los.
Am Bahnhof werde ich von meiner Mutter eingesammelt und nach Hause gebracht. Dort angekommen, entledige ich mich erstmal von den Draußen-Klamotten und dusche mir den „Menschen- und Bahn-Pfui“ ab. Die Klamotte wandert sofort in die Wäsche.

Ich packe meine Geschenke aus. Kekse, Schoki, eine Krawatte, Hosenträger, eine Boxershorts mit Totenschädel drauf, Geld, Halsband und Leine für den Hund.

Eigentlich will ich durchmachen, denn schlafen lohnt sich nicht mehr wirklich. Aber irgendwie penne ich dann doch kurz weg und bin umso geräderter als ich wieder aufstehe. Ich bin eindeutig zu alt für sowas, ich sag’s euch. Aber geil war’s natürlich trotzdem 😀