Content Note:

Reisebericht, Gedanken, soziale Phobie, Schwarzwald


„Ich habe Schiss“, sage ich.

„Wovor?“, fragt meine beste Freundin.

„Vor Allem“, antworte ich.

Ende Juli. Es steht ein Wochenende im Schwarzwald an: EuroCheval, beste Freundin und ihr Männlein treffen, gemeinsam Dinge unternehmen. Mit Yoshi natürlich.

Und ja, ich habe Angst. Vor was genau, weiss ich auch nicht. Vor allem eben. Vor der langen Fahrt. Der Messe. Den Menschen. Dem Hotel. Dem Parkplatz. Der Gegend. Dass ich etwas vergessen könnte. Dass ich krank werden könnte. Dass meine beste Freundin mich doch nicht sehen will. Dass Yoshi den Ausflug scheisse findet. Dass mein Auto kaputt geht. Dass ich tanken muss. Dass ich unterwegs auf’s Klo muss. Die Liste ist endlos.

Donnerstags packe ich. Für mich und Yoshi. Ich versuche an alles zu denken. Vergessen werde ich eine Haarbürste. Nun ja… es gibt Schlimmeres. Um das Pony wird sich meine Mutter kümmern.

Freitags geht es los. Erst noch eine schnelle Pipi-Runde mit Yoshi und dann ab ins Auto. Etwas mehr als 2 Stunden brauche ich und merke wieder, dass mich lange Fahrten enorm anstrengen. Ich weiss, weshalb ich lieber Bahn fahre. Zum Glück verläuft die Fahrt aber, abgesehen von meiner extremen Müdigkeit und Konzentrationsschwäche, reibungslos. In Darmstadt etwas Stau durch Baustellen, Umleitungen und Berufsverkehr und einmal kurz stockender Verkehr auf der Autobahn Richtung Karlsruhe, mehr nicht. Der Park & Ride Parkplatz zur Messe ist auch gut ausgeschildert. Ich zahle 4 Euro und schaffe es, zu parken. Uff.
Nach dem Aussteigen gehe ich erst noch einmal ein Stück mit Yoshi. Er soll sich die Beine vertreten und sein Geschäft machen können.

Dann geht’s ab zum Shuttlebus.
Komplett voll. Ich hasse es. Atmen. Ruhig bleiben. Yoshi ist ganz Profi, blockt so gut er kann und gibt mir Halt.
Zum Glück dauert die Fahrt nicht lange. Am Messegelände angekommen, warte ich auf J. und C., die allerdings von der Security von ihrer Shuttle-Haltestelle nicht zu mir durchgelassen werden. Da die Beiden mein Ticket haben, müssen wir bis Einlass warten. Dann gehen die Zwei rein und kommen über das Messegelände zu meinem Eingang, überreichen mir mein Ticket und warten, bis auch ich endlich drin bin. In der Einlass-Schlange kommen mir wieder Leute viel zu Nahe. Männer. Von hinten. Panik. Atmen. Welchen Teil von „BITTE ABSTAND HALTEN“ verstehen die Leute eigentlich nicht? Da wird dann noch blöd geschaut, wenn mein Assistenzhund versucht, zu blocken.

Endlich drin. J. und C. richtig begrüßen. Zeit auf der Messe verbringen. An Ständen stöbern. Pausen machen. Trinken. Sitzen. Ausruhen. Pferde gucken. Ich traue mich auf’s Klo. An vielen Ständen Wasser für die Hunde. Yoshi schlägt sich wacker. J. spendiert meinem Pony ein Regenbogenhalfter und einen neuen Äppelboy (unser Alter wurde ja durch Rücksichtslosigkeit anderer Einsteller zerstört).
Als es gegen 13 Uhr voll und immer heißer wird, verabschieden wir uns und gehen. Zurück zum Auto mit dem Shuttle.

Ich fahre zu der gebuchten Pension. Sie ist ca. 20 Minuten vom Messegelände entfernt. Dort angekommen gehe ich hinein. „Hallo, ich habe ein Zimmer reserviert.“ „Ja, das haben die Meisten hier.“ „Äh, ja. Auf den Namen Lippold.“
Der Herr schaut in seinen Unterlagen und findet… nichts. Nein, auf den Namen hat er keine Reservierung. Fuck. Panik. Was jetzt? Atmen. Denken. Ich habe die E-Mail Bestätigung dabei (ja, ja, Sicherheitsverhalten. Ich weiss. Aber es rettet mir den Arsch!). Ausgedruckt. Moment. Ich gebe sie ab. Er verschwindet und telefoniert mit der Chefin. Es dauert etwas. Ich werde misgendert. Er kommt zurück. Zimmer Nummer 39. Terrassenebene. Er erklärt mir, wo ich lang muss. So ganz bekomme ich die Beschreibung nicht mehr mit. Egal. Ich gehe raus, und schaue mich um. Ah, ausgeschildert. „Zu den Zimmern 32-40“. Super, also durch diese Tür. Treppe hoch. Gang entlang. Raus auf die Terrasse. 37. 38. 39. Da ist es. Aufschließen. Reingehen. Puh. Ich habe einen Schlafplatz. Das Zimmer ist klein, aber gemütlich und sauber. Auf der Terrasse gibt es zu jedem Zimmer einen Tisch und eine Sitzgelegenheit. Die Aussicht ist schön. Ich gehe mit Yoshi zurück zum Auto, hole unser Gepäck. Dann ziehe ich ihm seine Kenndecke aus und gebe ihm Wasser und etwas zu Fressen. Ich selbst desinfiziere das Bad und gehe erstmal ausgiebig duschen.

Den restlichen Tag verbringen wir mit Entspannen. Yoshi schaut sich die Punkte auf dem Teppich genau an, liegt auf der Terrasse und beobachtet die Umgebung. Ich lese. Zwischendurch gehen wir ein wenig Gassi.

Die Nacht ist unruhig, es ist zu warm. Gegen 2 Uhr fängt Yoshi an im Zimmer rumzuturnen. Ich stehe auf, gehe mit ihm raus. Barfuß. Genieße die frische Luft und den Boden an meinem Füßen. Nach Rückkehr sitze ich eine Stunde bei geöffneter Zimmertür mit Yoshi da, lüfte und bin einfach nur müde. Nach dem Lüften ist es ein wenig besser, wir schlafen bis ca. 6 Uhr.

Samstag.

Frühstück. Tabletten. Anziehen. Gassi – wieder barfuß. Tasche packen für den Tag. Um 08:30 Uhr bin ich mit J. und C. verabredet. Sie zeigen mir ein paar schöne Stellen der Gegend. Wir haben Spass. Es regnet sogar mal kurz. Abkühlung. Gegen Mittag wird es dann allerdings schwül. Am Mummelsee gebe ich Geld aus. Das erste und einzige des Wochenendes (abgesehen von den Fahrt- und Pensionskosten). Ich kaufe mir Kuschelsocken und eine Kappe. Beim Bezahlen etwas Panik. Viele Leute, die einfach über meinen blockenden Assistenzhund hinweg steigen. „BITTE ABSTAND HALTEN“ ist wohl tatsächlich schwer zu verstehen.

Nach dem Einkauf werde ich von einer komischen Frau vollgelabert. Ich antworte höflich und werde dann glücklicherweise von J. aus der Situation gerettet. „Komm‘, wir gehen!“ Danke, J.

Wir begeben uns an einen Aussichtspunkt, quatschen noch etwas und verabschieden uns dann.
Ich fahre zurück zur Pension, esse etwas, füttere Yoshi und verbringe den Nachmittag damit, auf der Terrasse zu sitzen und zu lesen. Yoshi liegt an meiner Seite. Er genießt die kühlen Fliesen und die Aussicht. Unten verläuft ein kleiner Weg und es gibt einen Parkplatz. Den beobachtet er. Wer kommt, wer geht? Scheint spannend zu sein. Zwischendurch wird geschlafen. Und natürlich gehen wir noch einige Male Gassi. Abends wieder barfuß. Guter Skill. Füße spüren. Steinchen. Asphalt. Laub.

Diese Nacht schläft Yoshi durch. Auch ich schlafe ein wenig besser, mache aber wieder eine kurze Schlaf-Pause zum Lüften und Abkühlen.

Sonntag.

Gegen 5 Uhr kann ich nicht mehr schlafen.

Anziehen. Gassi – barfuß natürlich. Frühstück. Tabletten. Sachen packen und ans Auto bringen. Kurz nach 7 checke ich aus. Ich zahle und bekomme eine Rechnung. Mein Name ist falsch geschrieben. „Samuel Jonathah Lippert“. Ahjaaaa. Nun ja. Egal.

Zum Glück fahren sonntags kaum LKW und somit verläuft die Heimfahrt relativ ereignislos. Einmal muss ich in der Nähe von Hockenheim anhalten und etwas nachtanken. Beim Verlassen des Tankstellen-Shops sehe ich Polizisten. Sie quatschen einen Mottoradfahrer an. Ich denke erst, die meinen mich. Schock. Ich schaue blöd. Peinlich. Die meinen gar nicht mich. Oh Gott. Ich verschwinde schnell. Oh man. Peinlich.

Gegen halb 10 kommen Yoshi und ich zu Hause an. Ich gehe eine Runde mit ihm und dann geht’s erst einmal in die Wohnung. Yoshi frisst, säuft und begibt sich auf seine Kühlmatte; ich dusche und mache mir danach auch etwas zu essen.

Erschöpft falle ich auf’s Sofa. Es war ein schönes Wochenende. Anstrengend, ja. Aber schön. Viel Zeit mit den Lieblingsmenschen und mal was anderes gesehen. Und wieder einmal die Angst besiegt.