Content Note:

LGBT+, Gender Dysphoria, sexualmedizinische Ambulanz, Sexualtherapeut, Trans*-Weg, Sexualität, Trigger, SvV


Am Dienstag war es soweit: Ich hatte meinen langersehnten Termin beim Trans*-Spezialisten.
Natürlich war ich super nervös und aufgeregt und hatte mal wieder die altbekannte Panik vor der Bahnfahrt (es ist jedes Mal, als wäre ich noch nie Bahn gefahren, dabei fahre ich echt ständig…). Also habe ich mich durch den Morgen geskillt bis es an der Zeit war zum Bahnhof zu laufen. 16,55€ ärmer (das Ticket wird auch immer teurer…) ging es Richtung Frankfurt. Im Zug habe ich es geschafft, ein wenig zu lesen und mich abzulenken.

In Frankfurt angekommen habe ich die Strasse gesucht, in der sich die Praxis befindet und bin dann noch ein wenig spazieren gegangen, bevor es an der Zeit war, hineinzugehen.

Die Damen am Empfang waren freundlich, haben meine Daten aufgenommen und mich gebeten, im Wartezimmer Platz zu nehmen. Nach ca. 10 Minuten, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen und in denen ich vor Aufregung gefühlte 10 Liter Schweiss verloren und versucht habe, nicht zu dissoziieren, wurde ich von dem Psychologen aufgerufen.

Ich bin ihm unsicher nachgedackelt, habe mich auf den zugewiesenen Stuhl gesetzt und er starrte mich an. Nach einem kurzem Moment fragte er mich, weshalb ich gekommen sei.
Ich: „Ich habe die Diagnose ‚Transsexuell‘ bekommen.“
Er: „Und von wem? Stimmen Sie dem zu?“
Ich: „Von meiner Therapeutin und ja, natürlich.“

Daraufhin musste ich ihm erklären, weshalb ich nun bei ihm sitze, obwohl ich eine Therapeutin habe. Schon da hatte ich das Gefühl, er hat überhaupt keinen Bock auf mich und nimmt mich nicht Ernst, da ich ja – Zitat – „noch den alten, weiblichen Namen im Ausweis“ habe.

Den Bericht meiner Therapeutin wollte er im Übrigen nicht einmal sehen.

Jedenfalls habe ich ihm erklärt, dass ich die Therapie mache wegen meinen anderen Diagnosen: Borderline, Depression, soziale Phobie, Zwang.
Er: „Borderline? Und woher haben Sie diese Diagnose?“
Ich: „Aus der Tagesklinik und bestätigt nochmals von meiner Therapeutin und Psychiaterin.“
Er: „Und wie kommen die darauf? Weil Sie mal geritzt haben oder was? Sind Sie damit einverstanden?“

Ich, mittlerweile völlig verunsichert, stottere etwas von Anspannung und ja, die Diagnose passt. Auch im weiteren Verlauf hatte ich das Gefühl, dass er keine meiner Diagnosen ernst nimmt und alles anzweifelt. Als ob sich jemand diese Fuck-Diagnosen einfach so aus den Fingern saugt…

Irgendwann kamen wir auf’s Coming Out zu sprechen. Ich erzähle ihm, dass es zuerst meine beste Freundin und einige Leute aus dem Internet wussten, danach meine Therapeutin und mittlerweile alle in meinem Umfeld bescheid wissen – ausser meine Grosseltern. Ich sage ausserdem, dass ich bisher glücklicherweise nur positive Reaktionen bekommen habe und darüber sehr froh bin. Seine Antwort darauf war: „Ja, bisher ist ja auch nichts Konkretes an Veränderungen bei Ihnen zu merken.“
Jup. Danke.

Irgendwann im Gesprächsverlauf sagt er auch noch, dass viele Leute ja glauben, dass die Depressionen, etc. weggehen, nur weil sie dann das andere Geschlecht sind.
Ähm, nein, ich glaube das nicht. Ich weiss genau, dass es nicht so ist. Ja, es war ein riesige Last, die mir von den Schultern gefallen ist, als ich mich geoutet habe und endlich als Sam offen leben konnte. Nein, davon gehen meine Depressionen nicht weg. Das weiss ich. Ich bin ja nicht blöd. Die haben andere Ursachen, weshalb ich ja in Therapie bin und daran arbeite.

Dann stellte er meine sexuelle Ausrichtung in Frage. Stellte „sexuelle Anziehung“ mit „Libido“ gleich. Nahm mich wieder nicht ernst, schob meine Asexualität auf die Tabletten. Asexualität hat jedoch nichts mit der Libido zu tun.
Ja, ich weiss, dass Antidepressiva die Libido senken können. Ja, ich weiss, dass Testosteron die Libido steigern kann. Nein, das hat nichts damit zu tun, dass ich andere Menschen sexuell nicht anziehend finde.
Von einem Sexualtherapeuten hätte ich wirklich erwartet, dass er das weiss bzw. Ernst nimmt.

Zudem hat meine sexuelle Ausrichtung auch überhaupt nichts mit meiner Transsexualität zu tun. Wenn ich mich in 10 Jahren in einen Mann verliebe, werde ich eben in einer Homo-Beziehung leben. Sollte ich mich in eine Frau verlieben, dann in einer Hetero-Beziehung. Ist doch völlig egal, welches Geschlecht jemand hat, ob nun Mann, Frau, Non-Binary, Agender, Trans*, etc. Vollkommen egal. Wenn ich mich verliebe, dann in den Menschen. Ende.

Naja, dann erzählt er mir noch, wie das so abläuft mit dem „Trans*-Weg“ – welche Schritte, Gutachten, etc. notwenig sind. Das war der sinnvolle Teil des Gesprächs.

Zudem meint er, dass, wenn meine Therapeutin die Begleittherapie nicht machen will, meine Chancen schlecht stehen auf eine Genehmigung (von der Krankenkasse) der Therapie bei einem anderen Therapeuten. Und falls sie doch genehmigt werden würde, müsste ich mit sehr langen Wartezeiten rechnen und die Zeit, die mich meine Therapeutin in meinem Trans-Weg nun schon begleitet hat, wird auch nicht angerechnet, d.h. ich müsste noch einmal ganz von vorn anfangen mit den 12 bzw. 18 Monaten Therapie bis zum Testosteron bzw. OP. Plus eben die Wartezeit auf einen Therapieplatz. Wie zur Hölle soll ich das durchhalten?

Ich bin froh, als ich endlich gehen kann. Mir ist schwindelig, schlecht und ich habe SvV-Druck. Am Liebsten würde ich sofort in den DM marschieren, der neben der Praxis ist, und mit Klingen kaufen. Ich bin getriggert, fühle mich super schlecht, hoffnungslos und wertlos. Bin wohl doch nicht „Trans genug“. Wertloses Stück Dreck. Es kostet mich alle Willenskraft, am DM vorbeizugehen. Stattdessen kaufe ich mir am Hauptbahnhof etwas zu essen. Kauen beruhigt. Du fettes Schwein.

Selbst jetzt, wo ich dies hier schreibe, ist mir noch zum Heulen zumute wenn ich an den gestrigen Tag denke. Andererseits bin ich aber auch sauer, weil er es geschafft hat, dass ich mich so schlecht fühle, solch extreme Gender Dysphoria und so starken SvV-Druck habe. Und immer noch daran denke.
Es nervt einfach nur. Macht mich wütend und traurig. F*** you, Sexualtherapeut.

And now… back to square one…

 

Nachtrag:

Meine beste Freundin hat den Sexualtherapeuten gerade als „inkompetenten Scheisshaufen“ betitelt…. ich bin vor Lachen fast von der Couch gekippt… dafür hat man Freunde ❤ ❤ ❤